Energieinflation, quo vadis
Die Energiekrise in Europa ist noch nicht vorbei; fossile Brennstoffe dürften in den nächsten Jahren teuer bleiben. Obwohl es Europa gelungen ist, LNG aus anderen Teilen der Welt zu beziehen und dank eines milderen Winters relativ hohe Lagerbestände (etwa 64 % am 21. Februar) zu halten, bleibt Energie ein heikles Thema.
Gas und Öl bleiben begrenzt
Man kann davon ausgehen, dass die russischen Gaslieferungen über die Nord-Stream-Pipeline nach Europa weiterhin eingestellt bleiben. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Importe im Herbst 2023 wieder aufgenommen werden, sind gering. Da zudem rund 70 % des weltweit gehandelten LNG an langfristige Verträge gebunden sind, könnten die verfügbaren Mengen weiterhin begrenzt bleiben. Die jüngsten langfristigen Verträge, die mit Partnern wie Katar und den USA unterzeichnet wurden, gelten erst ab 2026.
Auch das Ölangebot dürfte begrenzt bleiben, da Russland auf die westlichen Sanktionen mit einer Reduzierung der Rohölproduktion reagiert und die OPEC eine konservative Haltung bei der Steuerung der Produktion einnimmt. Während die Gasnachfrage in Europa zurückgegangen ist, hat sich die geringere Ölnachfrage aufgrund der diesjährigen globalen Konjunkturabschwächung noch nicht in den Verbrauchsdaten niedergeschlagen.
Preise bleiben voraussichtlich hoch
Angesichts dieses gemischten Bildes werden die Preise sowohl für Öl als auch für Gas in den nächsten Jahren hoch bleiben. Ölpreise von durchschnittlich 92 USD/Barrel (2023) und 88 USD/Barrel (2024) sind wahrscheinlich, während die TTF-Erdgaspreise 2023 durchschnittlich 75 EUR/MWh betragen könnten, bevor sie sich 2024 leicht auf 60 EUR/MWh konsolidieren. Die Preise dürften noch weiter steigen, wenn
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die Wirtschaftstätigkeit zunimmt
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die Erzeuger ihr Angebot weiter einschränken oder
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die Gaseinsparungen in Europa unzureichend sind.
Andererseits könnten eine stärkere Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit und eine schnellere Energiewende (durch höhere Effizienz oder eine bessere Verfügbarkeit von Strom) den gegenteiligen Effekt haben.
Eurozone - Energieinflation, quo vadis?
Die Inflation in der Eurozone hat sich in den letzten Monaten verlangsamt hat, was vor allem auf die Auswirkungen der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Deckelung der Energiekosten und die sinkenden Gas- und Ölpreise zurückzuführen ist. Der Preisdruck wird dennoch in der ersten Hälfte dieses Jahres stark bleiben.
Angesichts der anhaltenden Ungewissheit über die Energieversorgung im weiteren Verlauf des Jahres, wenn der Erdgasverbrauch wieder ansteigt, dürften die Regierungen ihre Ausgaben weiter erhöhen. Allerdings weit vorsichtiger, da wenig zielgerichtete Maßnahmen den allgemeinen Rückgang der Inflation verlangsamen könnten.
Die jährliche Inflationsrate in der Eurozone liegt immer noch bei über 8 % (im Vergleich zum letzten Jahr) – das ist mehr als das Vierfache des Preisstabilitätsziels der EZB von 2 %. Die Schnellschätzung für die Gesamtinflation im Januar wurde von 8,5 % auf 8,7 % nach oben korrigiert.
Die Energieinflation dürfte jedoch in den kommenden Quartalen (aufgrund starker desinflationärer Basiseffekte) drastisch zurückgehen und in diesem Jahr weniger als 10 % der Gesamtinflation ausmachen. Dennoch dürfte die Inflation in diesem Jahr ungewöhnlich hoch bleiben wird, ab dem zweiten Quartal könnte sich der Energiepreisdruck auf den Preisdruck durch Waren und Dienstleistungen (Kerninflation") verlagern. Bei der Energie- (und Nahrungsmittel-) Inflation werden die Basiseffekte jetzt immer stärker, insbesondere in den Ländern, in denen die Preisstopps erst später im Jahr eingeführt wurden.
Trotz des Rückgangs der Energieinflation schafft der negative Angebotsschock für die Inflation immer noch ein schwieriges Umfeld für die Geldpolitik. Da die "göttliche Fügung" einer niedrigen Inflation in Zeiten verlangsamten Wachstums nicht zutrifft, müsste die EZB eine Vorausschau auf ihren Leitzinspfad formulieren, die die Gesamtnachfrage nicht übermäßig bremst (auch in Anbetracht der Tatsache, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der strengeren Finanzierungsbedingungen mit erheblicher Verzögerung eintreten). Es ist zu erwarten, dass die EZB den effektiven Leitzins bis Mai auf 3,25 % anheben und trotz des stagnierenden Wachstums im Jahr 2023 eine restriktive Haltung beibehalten wird.
Die gesamte Studie in englisch ist ab sofort als Download abrufbar.