Studie: Frauenpolitik verliert Status, besonders Finanzthemen im Hintertreffen
Die mediale Präsenz von Frauenpolitik ist ein wichtiger Gradmesser für die Gleichberechtigung der Frauen. Die Studie „Frauen – Politik – Medien“ von MediaAffairs analysiert den jährlichen Status quo und hat 2022 den Schwerpunkt Geld. „Finanzielle Unabhängigkeit ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Leben“, sagt Gudrun Meierschitz, Vorständin bei Acredia, die gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien und Raiffeisen Capital Management die diesjährige Studie unterstützt.
Frauenpolitik als Kriegsverlierer
2022 war die mediale Berichterstattung vom Ukraine-Krieg und die darauffolgenden Energie- und Teuerungskrise überschattet. Die Frauenpolitik erlebte hingegen einen dramatischen Rückgang in der Medienpräsenz, nur wenige Themen schafften es aufs politische Parkett und damit ins Scheinwerferlicht. Speziell Finanzthemen wie Lohngerechtigkeit, Pensionssplitting, Frauenpensionen und Unternehmerinnen bekamen kaum Öffentlichkeit.
„Gewalt gegen Frauen ist das einzige frauenpolitische Thema, welches im Alltag wirklich angekommen scheint“, so Meierschitz. „Wir sollten uns die Frage stellen, ob Ignoranz gegenüber frauenpolitischen Themen, fehlende Lohngerechtigkeit, fehlende Investitionen für Gründerinnen und fehlendes Bewusstsein für Frauenarmut nicht auch Formen von Gewalt sind.“
Über Frauen und Geld spricht man nicht
Die finanzielle Realität von Frauen ist auch im 21. Jahrhundert von sogenannten „Gaps“ geprägt. Bereits im Kindesalter starten Mädchen im „Pocket-Money-Gap“, sie erhalten durchschnittlich 20 Prozent weniger Taschengeld als Buben. Später im Arbeitsleben sind Frauen mit dem „Pay-Gap“ konfrontiert, der in Österreich mit 18,5 Prozent so groß wie in kaum einem anderen Land in der EU ist. Die Einkommensunterschiede, Karenzzeiten, Teilzeittätigkeiten und unbezahlte Care-Arbeit summieren sich über die Jahre zu einem „Wealth-Gap“: Frauen besitzen um ein Viertel weniger als Männer. Im Alter wartet schließlich der „Pension-Gap“ und Frauen beziehen um 41 Prozent weniger Pension als Männer.
„Wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, hat auch wenig Möglichkeiten, finanziell vorzusorgen“, verdeutlicht Sabine Macha, stellvertretende Bereichsleiterin für Corporate Sustainability bei Raiffeisen Capital Management die Situation.
Es gibt aber noch etliche andere „Gaps“ wie zum Beispiel den Investment-Gap. „Weibliche Startups erhalten deutlich geringere Investitionssummen als männliche Teams“, sagt Gudrun Meierschitz, Vorständin bei Acredia. 2022 gingen in Österreich 9 von 10 Euros an rein männliche Gründerteams*) . „Die Wirtschaft verzichtet hier auf ein riesiges Potential“, so Meierschitz. „Es gibt Studien, die zeigen, dass Startups unter weiblicher Führung einen höheren Return-on-Investment erzielen als ihre männlichen Pendants**) .“
Finanzielle Unabhängigkeit ist Grundlage für Gleichberechtigung
„Bei dieser erdrückenden Datenlage ist es umso überraschender, wie wenig im öffentlichen Diskurs über dieses Gefälle bei Geld und Einkommen gesprochen wird“, meint Studienautorin Maria Pernegger. Denn die finanzielle Schlechterstellung sorgt für ungleiche Machtstrukturen und begünstigt Abhängigkeiten jeglicher Art. Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer Wien ist überzeugt: „Ökonomische Unabhängigkeit zählt zu den dringlichsten Herausforderungen, um das Leben von Frauen zu verbessern.“
Studie:
Die vollständige Studie finden Sie hier: Frauenstudie_2022
Stream:
Die Aufzeichnung der Pressekonferenz finden Sie hier: events.streaming.at/frauen-politik-medien-20230424
Quellen:
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*EY, Female Funding Startup Index (2022): https://www.ey.com/de_at/news/2023/03/female-start-up-funding-index-2022
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**Boston Consulting Group (2018): https://www.bcg.com/publications/2018/why-women-owned-startups-are-better-bet